Soziale Differenzierung des Verhaltens

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Menschen unterscheiden sich häufig in ihrem Verhalten, auch wenn sie in ähnlichen sozialen und sozialräumlichen Kontexten agieren (s. Behaviorismus). Wie groß das Spektrum des Verhaltes sein kann, hängt von den „Spielräumen“ ab, die als finanzielle oder zeitliche Ressource angesehen werden können oder als normative Hinweise wie „Hausordnungen“, Gesetze und Verordnungen. In modernen und wohlhabenden Gesellschaften geht man davon aus, dass die „Spielräume“ größer sind und Interessen und Zielsetzungen sich im Rahmen des Wertewandels ausdifferenzieren (Wertevielfalt). Ein Grund hierfür besteht darin, dass traditionelle Institutionen, die Werte vorgeben (Religion, Gewerkschaften, politische Parteien, traditionelle Medien) an Bedeutung verlieren. An die Stelle traditioneller Milieus mit entsprechenden Werten (vor allem unter den älteren Menschen) treten zunehmend Faktoren wie Individualität, Flexibilität und neue soziale Schließungen entlang von zusammengebastelten Werte-Konglomeraten, die insbesondere über die „neuen“ sozialen Medien gestärkt werden (Echokammern). Diese, eher von den jungen Erwachsenen getragenen Werte bestimmen zunehmend die Erwerbsarbeit, aber auch die privaten Beziehungen.

Aber selbst bei engen und verpflichtenden Rahmenbedingungen kommen abweichende Verhaltensweisen vor: Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen; falsches Tragen des Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Verkehrsmitteln, etc. In der Verkehrsforschung geht man häufig von „Durchschnitts-BürgerInnen“ (= alle Menschen handeln immer in gleicher, durchschnittlicher Weise) oder von „immer rational handelnden Menschen“ aus (immer schnell und preisgünstig von A nach B) (z.B. in Modellierungen), dann ist es wahrscheinlich, dass es einige Menschen gibt, die sich nicht wie erwartet verhalten, was dann als Rebound-Effekt eingeordnet wird. Je enger der gesteckte Rahmen ist, umso eher verhalten sich alle Menschen gleich, denn die meisten halten sich an die Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn. Sind jedoch die „Spielräume“ größer – beispielsweise bei der Verkehrsmittelwahl in Großstädten –, dann hängt das Mobilitätsverhalten sehr stark von Persönlichkeitsmerkmalen ab.

Auf dieser Seite werden daher gängige Typologien vorgestellt, die innerhalb der Verkehrs- und Mobilitätsforschung benutzt werden, um ein unterschiedliches Mobilitätsverhalten zu beschreiben und zu erklären. Diese Typologien bilden wegen ihrer „Gemeinsamkeiten innerhalb der gesellschaftlichen Vielfalt“ auch die Grundlagen dafür, Zielgruppen für differenzierte Informationskampagnen, Beteiligungsformate, Anreizsysteme etc. zu definieren und ggf. das Verhalten von bestimmten sozialen Gruppen zu beeinflussen (beispielsweise, um die Verkehrs- und Mobilitätswende einleiten und unterstützen zu können).

Soziodemographische Gruppen

Man geht in der Forschung davon aus, dass soziodemografische Gruppen gewisse Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer sozialen Lage und den damit verbundenen Möglichkeiten und Einschränkungen und daher sich ähnliche Einstellungen und Verhaltensweisen haben. Die Forschung orientiert sich dabei stark an den Merkmalen und Klassifizierungen aus der amtlichen Statistik, die für bestimmte administrativ definierte Flächen (vom Nationalstaat bis zum Zählsprengel) Informationen über die dortige Wohnbevölkerung liefert.

Unter soziodemografischen Gruppen werden

  • Altersgruppen (entweder als „Jugendliche“ oder „ältere Menschen“ benannt oder nach Altersgruppen, meist in 18 Jahres-Abständen).
  • Geschlechtsgruppen (ursprünglich als Frauen-Männer dichotomisiert), aktuell meist als „Gender“ thematisiert (zur Differenzierung s.u.)
  • Haushaltsformen (differenziert nach Zahl der Personen, Zahl der erwachsenen Personen, Zahl der Kinder (differenziert nach Alter).
  • Nationalität, wobei die Unterscheidung zwischen „eigener“ und „fremder“ Nationalität aus unterschiedlichen Gründen relevant ist; seit ca. 15 Jahren wurde die Kategorie „Migrationshintergrund“ hinzugefügt (zur Begründung s.u.)

Alter

Wie eine Reihe empirischer Untersuchungen gezeigt hat, bilden Altersgruppen allenfalls Dummies für dahinterliegende Annahmen: Gesundheitlicher Zustand, Bedeutung für Erwerbssektor und das Rentensystem, sozialpolitische Überlegungen (beispielsweise für Jahrestickets im ÖPV. Doch sind in den jeweiligen Altersgruppen der Gesundheitszustand der Personen sehr unterschiedlich und die Erwerbsbeteiligung zunehmend uneinheitlich – dennoch werden beispielsweise Menschen, die älter als 60 Jahre sind, gleich behandelt.

Für die Frage, wie eigenständig Menschen im höheren Alter noch mobil sein können, wird in der Regel nicht der reale Gesundheitszustand erhoben, sondern ersatzweise wird die Gruppe der über 60-/65-Jährigen in Teilgruppen unterteilt: „junge Alte“/dritte Lebensphase (60/65-75 Jahre) und Betagte/Hochbetagte/oldest old (>75 Jahre) als vierte Lebensphase. Dieser variiert innerhalb der Altersgruppen jedoch aufgrund insbesondere gesundheitlicher, aber auch mentaler Faktoren sehr stark.

Die Zugehörigkeit zu einer Altersgruppe ist also allenfalls ein grober Dummy für Strukturmerkmale und zudem kaum eine einheitliche Einstellungs- oder Handlungskategorie. Eine Möglichkeit besteht darin, innerhalb der Altersgruppen nach Milieu- oder Lebensstil-Kategorien oder nach der sozialen Lage (als Kombination aus sozialem Status und Familien-Typ) (s.u.) zu unterscheiden.

  • MiD Ergebnisbericht
Der Mobilität in Deutschland Ergebnisbericht gibt Aufschluss über den Einfluss von Alter und anderen sozioökonomischen Faktoren auf das Mobilitätsverhalten.
  • Mobilitätsbezogene Einstellungen beim Übergang vom Kindes- ins Jugendlichenalter
Bastian (2010)[1] hat sich mit der Konstituierung von mobilitätsbezogenen Einstellungen und Werthaltungen in der Frühadoleszenz (14 bis 16 Jahre) befasst.
  • Einfluss des elterlichen Mobilitätsverhaltens
Dass vor allem Kinder und Jugendliche auf das Mobilitätsverhalten ihrer Eltern reagieren und häufig dazu neigen, dieses zu übernehmen, ist durch unterschiedliche Studien (z.B. Baslington 2008[2], Flade & Limbourg o.J.[3]., Haustein et al. 2008[4]) belegt.

Geschlecht / Gender

Innerhalb jeder Gesellschaft bestehen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Hierbei ist aber zu unterscheiden zwischen den biologischen Eigenschaften (im engl. „sex“, lange als Dichotomie zwischen Frau und Mann angesehen, mittlerweile auch schrittweise als des „weder-noch“ resp. des „sowohl-als-auch“ der Intersexualität rechtlich akzeptiert) und dem Umgang innerhalb der Gesellschaften mit den biologischen Unterschieden (engl. „gender“).

Der gesellschaftliche Umgang

  • durch die Erwartungen an gesellschaftliche Rollen (Verteilung der Erwerbs- und Reproduktionsarbeit),
  • mit dem Verteilen von Privilegien (Zugänge zu Institutionen wie Schulen und Vereinen, Teilhabe an politischen Wahlen, etc.),
  • mit gesellschaftlichen Aufstiegschancen (Übergang vom Bildungssystem ins Erwerbssystem, berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, etc.) sowie
  • den Erwartungen an Verhaltensweisen

bestimmt in starkem Maße die sozialen Ungleichheiten und gesellschaftlichen Benachteiligungsmuster durch die Kategorie „Geschlecht“.

Im gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Diskurs werden beide Aspekte häufig vermischt: Es wird von „gender“ gesprochen, als Grundlage dienen jedoch biologisch definierte Menschen. In der amtlichen Statistik wird die Wohnbevölkerung ausschließlich nach biologischen Merkmalen definiert oder in Fragen der Gleichberechtigung wird eine „Frauenquote“ eingefordert, aber als „Genderfrage“ thematisiert.

In der Verkehrsforschung wird grundsätzlich mit Kategorien „Frau“ und „Mann“ gearbeitet und dabei festgestellt, dass die Mobilitätsmuster und Wege(ketten) von Männer und Frauen unterscheiden: Männer haben im Alltag eher weniger, aber längere Wege und sind häufiger mit dem eigenen Pkw unterwegs als Frauen, die mehr Wege aufweisen, die kürzer sind und (zwangsweise?) eher intermodal bewältigt werden – das läuft dann aber fälschlicherweise unter „Genderforschung“. Darüber hinaus bleibt bei solchen Ergebnissen meist unerwähnt, dass die Heterogenität des Verkehrsverhaltens für Frauen deutlich höher liegt als bei Männern, da deren Rollenspektrum deutlich größer ist (von der kinderlosen voll Erwerbstätigen, über die halbtags arbeitende Alleinerziehende bis zur Mutter mit drei Kindern).

Die Ursachen für die Unterschiede zwischen Männer und Frauen liegen also in Gender-Aspekten, nämlich den unterschiedlichen Rollenerwartungen an private, berufliche oder gesellschaftliche Verpflichtungen Es werden aber meist nur die Auswirkungen (Mobilitätsmuster) beschrieben, die Gründe (d.h. die Gender-Aspekte) werden in der Regel nicht analysiert, weil beispielsweise nur die Außer-Haus-Aktivitäten für die Verkehrsforschung relevant sind) (Knoll & Szalai 2009[5]).

Es ist also das Ausmaß der privaten, beruflichen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen in der Organisation des Alltages und der darin eingebetteten unterschiedlichen Rollenzuschreibungen für innerhäusliche und außerhäusliche Aktivitäten, die eher privat geregelt werden und in der Regel nicht Gegenstand der Mobilitätsforschung sind. Daher ist innerhalb der Verkehrsforschung eine wirkliche Genderforschung eher die Ausnahme (Konrad 2016[6]).

Projekte

Österreich
  • Broschüre „Gender Mainstreaming und Mobilität in Niederösterreich
Diese Broschüre "Gender Mainstreaming in Niederösterreich" der Schriftenreihe des Niederösterreichischen Landesverkehrskonzepts gibt einen Überblick über den Unterschied zwischen Frauen und Männern in Bezug auf ihre Mobilität. Zudem wird dort die politisch fundierte Strategie des Gender Mainstreaming mit dem Thema Verkehr und Mobilität in Zusammenhang gebracht. Daten aus der Mobilitätserhebung des Jahres 2003 bilden die Grundlage für eine nach Geschlecht differenzierte Datenaufbereitung. Außerdem werden mehrere good-practice-Beispiele aus ganz Europa vorgestellt. Diese Broschüre hat die Genderdiskussion im Verkehrs- und Mobilitätsbereich in Niederösterreich in Gang gesetzt und ist Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen in diesem Bereich.
  • Forschungsprojekt und Publikation „Frauenwege - Männerwege“. Entwicklung von Methoden zur gendersensiblen Mobilitätserhebung
Das Forschungsprojekt "Frauenwege - Männerwege. Entwicklung von Methoden zur gendersensiblen Mobilitätserhebung" wurde vom österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie beauftragt. Dabei wurden gängige Methoden der Verkehrs- und Mobilitätserhebungen in Österreich analysiert, unter Genderaspekten beurteilt und bewertet. Zentrales Ergebnis war, dass in den bestehenden Studien zumeist nur bestimmte Alltagssituationen und Lebenszusammenhänge abgefragt wurden. So wurden in der Regel z.B. Aspekte des Mobilitätsverhaltens von Menschen mit Betreuungspflichten (oftmals Frauen) ausgeblendet.
Daher wurde ein gendersensibler Fragebogen entwickelt, mit dem Wegeketten, Wegezwecke und weiter Einflussfaktoren differenzierter erhoben werden können. Jedoch blieben die Fragen an die bestehenden Mobilitätserhebungen angelehnt, um eine gewisse Vergleichbarkeit sicherzustellen. Unter anderem stellte sich heraus, dass sowohl Frauen als auch Männer 40% ihrer Wege in Begleitung zurücklegen. Frauen werden dabei eher von Kindern, Männer eher von anderen Erwachsenen begleitet.
  • Der Gmoa-Bus in Pöttsching, Burgenland
Das flexible Bus-Taxi verfügt über acht Sitzplätze und steht allen BewohnerInnen der Gemeinde nach telefonischer Voranmeldung zur Verfügung. Sie werden individuell von Haustür zu Haustür chauffiert. Dafür ist ein Entgelt zu entrichten.
Der GmoaBus in Pöttsching ist ein Erfolgsmodell und Vorzeigebeispiel für den ländlichen Raum, denn besonders in peripheren Gebieten fehlt es oftmals an dichten öffentlichen Verkehrsnetzen und die Möglichkeit, unterwegs zu sein, ist oft sehr eingeschränkt.
Diese innovative Lösung wurde mit Hilfe von zwei Planungsbüros und dem Bundeministerium für Verkehr, Innovation und Technologie entwickelt. Besonders Frauen standen im Fokus des Projektes, weil ein wichtiges Ziel darin bestand, Begleit- und Erledigungswege einfacher zu ermöglichen.
Schweiz
  • Planungsprozess „Bahnhofsplatz Bern - Fachfrauen gestalten mit"
Hauptverantwortlich für dieses Projekt war die sich aus verschiedenen Expertinnen zusammensetzende Fachfrauengruppe Bahnhofsplatz FFB. Dabei kamen Expertinnen aus den Bereichen Planung, Architektur, Verkehr und Gleichstellung zusammen. Dies stellte ein Novum in der ansonsten sehr männerdominierten Planungswelt dar. Durch einen Beschluss des Stadtparlaments wurde sichergestellt, dass die Frauenfachgruppe das Projekt von Anfang an begleiten wird, wobei ihr gleichzeitig eine stärkere Gewichtung durch diesen politischen Beschluss verliehen wurde. Natalie Herren wurde mit der Bildung und Leitung der Gruppe beauftragt.
Zentrale Anliegen der Frauen waren unter anderem: Mitbestimmung/Partizipation, Wegführung, Orientierung, Belebung, Licht, Material und Erhaltung. Eine attraktive und sichere Unterführung des Bahnkörpers mit gut einsehbaren Ein- und Ausgängen konnte somit errichtet werden.
Deutschland
  • Belange von Frauen / Gender Meinstreaming im ÖPNV in der Region Hannover
Das Projekt Gender Mainstreaming in Hannover hat das strategische Ziel, die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern zu unterstützen.
Bereits seit den 1990er Jahren arbeitet das Bundesland Niedersachsen daran, die Anliegen von Frauen bei der Planung von Anlangen des öffentlichen Personenverkehrs zu berücksichtigen.
Im Jahr 2003 wurde festgeschrieben, das Nahverkehrspläne bestimmte Gesichtspunkte beinhalten müssen. Bestandsaufnahmen mit geschlechterspezifischen Datenerhebungen inkl. Mängelanalysen, Zielformulierungen zur Berücksichtigung des Versorgungs- und Freizeitverkehrs und Entwicklungen von gleichstellungsorientierten Maßnahmen.
Im Jahr 2008 wurde der Nahverkehrsplan um folgende Empfehlungen erweitert: Es wurden zeitlich besser koordinierte Fahrpläne erstellt, die besonders für frauentypische Arbeitsstätten und -zeiten (z.B. Krankenhäuser, Pflegeheime, Schichtbetriebe, etc.) ausgerichtet wurden. Zudem wurde das Netz dahingehend ausgebaut, dass die Fußwege verkürzt werden und die Sicherheit durch diverse infrastrukturelle Einrichtungen erhöht werden konnte. Tariflich wurde das Begleitticket angeboten und eine kostenfreie Fahrradmitnahme ermöglicht.
  • Verkehrssicherheit: Sicher mit Bus & Bahn in der Region Hannover
In Hannover existieren bereits verschiedene Maßnahmen zum Thema Sicher mit Bus & Bahn. Zentrales Thema ist die Gewalt im öffentlichen Raum zu verringern. Wird der öffentliche Personennahverkehr negativ eingeschätzt, äußert sich dies unter anderem in rückläufigen NutzerInnenzahlen. Von der Gewalt in öffentlichen Verkehrsräumen sind Frauen oder Minderheiten häufiger betroffen; daher werden diese - insbesondere zu Zeiten mit wenigen Mitreisenden - häufig gemieden.
Seit dem Jahr 1999 werden aus diesen Gründen auf die Mobilität und den Verkehr bezogene Leitlinien in der Region Hannover umgesetzt: Das generelle Wohlbefinden soll erhöht werden, wobei gleichzeitig die Zivilcourage gestärkt und trainiert wird.

Haushaltsform

Neben der sozialen Schicht (Einkommen, Bildung, berufliche Position, d.h. sozioökonomische Gruppen) bestimmt die Haushaltsform die soziale Lage, d.h. die unterschiedlichen Möglichkeiten, mobil sein zu können, um den jeweiligen Alltag zu organisieren. Neben der Größe, spielt hierbei die Zusammensetzung der Haushalte eine wesentliche Rolle (Zahl der Erwachsenen, Zahl und Alter der Kinder), denn diese bilden Rahmenbedingungen für unterschiedliche Rollenverpflichtungen (s.o.) und den daraus ableitbaren mehr oder weniger engen zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Relevant hierfür ist –neben der Höhe der Einkommen – die Zahl der VerdienerInnen und für wie viele Personen das Geld reichen muss. Zeitressourcen hängen vor allem von den Verpflichtungen aufgrund der Sorge um die Kinder ab.

Die Bedeutsamkeit der Haushaltseinkommen auf die Leistbarkeit von Mobilität in Österreich wurde im Rahmen des COSTS-Projektes analysiert.

Nationalität / Migrationshintergrund

Nationalität

Die Bedeutung der Kategorie „Nationalität“ ist für die Verkehrs- und Mobilitätsforschung völlig unklar und unterstellt eine Mischung aus einer ausländisch beeinflussten Sozialisation, aber unklaren Verhaltensaspekten. Was ist mit „Nationalität“ gemeint? Sprachschwierigkeiten – dann fällt es unter (-> Kognitive Barrieren / digital divide); weniger Einkommen (-> Sozioökonomische Disparitäten); traditionelle Rollenmuster (Lenker und Beifahrerin?) (-> gender-Ungleichheiten). Zudem ist die Gemeinsamkeit einer Staatszugehörigkeit nur in Extremfällen ein homogenisierendes Maß, weil unterschiedliche soziale Lagen und soziale Kulturen damit verbunden sein können.

Migrationshintergrund

Diese Kategorie fasst alle Menschen zusammen, die selbst oder deren zumindest ein Elternteil außerhalb des Aufnahmelandes geboren wurde. Diese Kategorie wurde in die amtliche Statistik aufgenommen, weil sich durch eine Einbürgerung zwar die Nationalität, nicht aber die Sozialisationseffekte durch zwei oft unterschiedliche Kulturen verändern. In Kombination mit der Nationalität verspricht man sich für die Integration und deren Barrieren ggf. Hinweise. In der Regel richtet sich das Interesse am Migrationshintergrund erst, wenn es sehr große normative Diskrepanzen zur Aufnahmegesellschaft ergeben (z.B. Flüchtlinge aus Zentralafrika oder Mittelasien).

Als statistische Kategorie taugt sie jedoch für eine differenzierte Mobilitätsforschung überhaupt nicht, weil sich daraus keine gemeinsamen Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber der autochthonen Gesellschaft ergeben, denn in dieser Kategorie werden u.a. ein Manager aus den USA, die Studentin aus den Niederlanden und ein Gelegenheitsarbeiter aus Afghanistan zusammengefasst.

Die Alltagsmobilität von MigrantInnen hat bislang daher wenig Beachtung innerhalb der wissenschaftlichen Bearbeitung in Österreich erhalten. Der ÖAMTC hat diesbezüglich 2014 jedoch eine Studie zum Mobilitätsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund veröffentlicht.

PhantasiJA

AKTIV MOBIL: Ich mach mir die Welt, wide wide wie sie mir gefällt.
Innerhalb des Projektes PhantasiJA erschaffen Jugendliche im Rahmen eines kreativen Arbeitsprozesses eine „PhanatsiJA-Stadt“, die auf die Nutzung aktiver Mobilitätsformen ausgerichtet ist und dabei auf die Bedürfnisse und Wünsche aller Altersgruppen abzielt. Es wird auf unkonventionelle Weise ein zukunftsorientiertes FTE-Konzept entwickelt, welches zur aktiven Personenmobilität beitragen wird.

Geschlecht

Die Statistik erfasst das biologische Geschlecht (meist noch in der traditionellen Dichotomie), nicht aber das soziale Geschlecht (‚gender‘), d.h. die Einstellungen, Rollenzuweisungen auf ganz unterschiedliche soziale Gruppen (auch Alter, Verwandtschafts-Relationen etc.), was letztlich das Mobilitätsverhalten beeinflusst – hier wird im Argumentieren leider viel vermischt. Mit einer Ausweitung der Rollen für Frauen, nicht zuletzt aufgrund verbesserter Bildung und höherer Erwerbsbeteiligung, hat sich gerade für Frauen das Mobilitätsverhalten deutlich ausdifferenziert (Hausfrauen, halbtags berufstätige alleinerziehende Mütter, berufstätige Alleinlebende). Aufgrund nach wie vor ungleicher Beteiligung von biologisch definierten Männern und Frauen an der bezahlten Erwerbsarbeit und der unbezahlten Reproduktionsarbeit ergeben sich strukturelle Benachteiligungen am Arbeitsmarkt und der Mobilität.



Zusammenfassend

Die soziodemografischen Kategorien der amtlichen Statistik sind kaum bis gar nicht dafür geeignet, Klassen gemeinsamer Einstellungen und Verhaltensweisen der Mobilität angemessen differenziert zu beschreiben. Die darauf aufbauenden Entscheidungen der planenden Verwaltungen und der Wissenschaft sind „auf Sand gebaut“ – dennoch werden sie relativ kritiklos auch in der Forschung verwendet.

Sozioökonomische Gruppen

In einer über Märkte organisierten Gesellschaft spielt die Kaufkraft (für Fahrzeuge oder Wege) eine entscheidende Rolle. Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen bestimmt im Wesentlichen die potenziellen Spielräume in den „Märkten“ und eben auch im Mobilitätsbereich. Die Kategorien Einkommen und Vermögen werden jedoch in der amtlichen Statistik nicht ausgewiesen, die jeweilige Erhebung ist tabuisiert und oftmals von „Peinlichkeiten“ gekennzeichnet, was zu höheren Verweigerungen der Angaben führt. Um diese Situation zu umgehen, wird oft der höchste Schulabschluss abgefragt, ein zunehmend schlechter Dummy in dem Maße, als der statistische Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Einkommen/Vermögen zunehmend schwächer wird.

Soziokulturelle Gruppen

In Kritik an der traditionellen Definition von Schichten, die sich an soziodemografischen und sozioökonomischen Kategorien orientiert, wurde die Aufmerksamkeit seit den 1970er Jahren auf die Bedeutung von soziokulturellen Kategorien für das Mobilitätsverhalten gerichtet. In diesem Zusammenhang ist von sozialen Milieus (Habitusformen) und Lebensstilen – hier: „Mobilitätsstilen“ die Rede. Mit dem sozialen Milieu werden solche Klassierungen bezeichnet, die auf gemeinsamen Wertvorstellungen aufbauen, während Mobilitätsstile ein ähnliches Mobilitätsverhalten zum Ausdruck bringen. Das bedeutet, dass beide Kategorien zwar in einem kausalen, aber nicht deterministischen Verhältnis stehen. Im Gegensatz zu den bisher genannten Kategorien sind soziales Milieu nicht eindimensional definiert und sie finden sich auch nicht in amtlichen Statistiken. Sie werden in der Regel mittels der Kombination unterschiedlicher multivariater Verfahren aus einer Fülle von Merkmalsausprägungen gebildet.

Potenzial für verschiedene Verkehrsmittelnutzung

Eine weitere Möglichkeit ist, Personen danach zusammenzufassen, welche Verkehrsmittel sie nutzen können. Dabei wurde ursprünglich lediglich das Eigentum erfasst (Anzahl an Pkw im Haushalt), heute wird auch erfasst, ob man beispielsweise auch auf einen Pkw im Freundes- und Bekanntenkreis verfügen kann. Zusätzlich wird der Besitz von Zeitkarten des öffentlichen Verkehrs erfasst.

Siehe auch: Identifizieren und beeinflussen der Zielgruppen

  1. Bastian, Thomas (2010): Mobilitätsbezogene Einstellungen beim Übergang vom Kindes- ins Jugendlichenalter. Querschnittliche Altersvergleiche bei 14- bis 16-Jährigen. Wiesbaden: Springer VS.
  2. Baslington, Hazel (2008): Travel Socialization: A Social Theory of Travel Mode Behavior. In: International Journal of Sustainable Transportation 2 (2): 91-141.
  3. Flade, Antje & Limbourg, Maria (o.J.): Das Hineinwachsen in die motorisierte Gesellschaft – Eine vergleichende Untersuchung von sechs deutschen Städten. https://www.uni-due.de/~qpd402/alt/texte.ml/FladeLimb.html.
  4. Haustein, Sonja; Klöckner, Christian A. & Blöbaum, Anke (2008): Car use of young adults: The role of travel socialization. In: Transportation Research Part F – Traffic Psychology and Behaviour 12 (2):168-178.
  5. Knoll, Bente & Szalai, Elke (2009): Gender Gap im Verkehrs- und Mobilitätsbereich – Hintergrundbericht. Studie im Auftrag des VCÖ. Wien. https://www.mobilservice.ch/admin/data/files/news_section_file/file/2232/vcoe-studie-gender-gap-hintergrundbericht.pdf?lm=1418801165.
  6. Konrad, Kathrin (2016): Mobiler Alltag im Wandel des Geschlechterverhältnisses. Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11282-0_4.