Raumentwicklung

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Die Existenz eines Raumes, in dem Objekte und Lebewesen sich befinden und bewegen, wird von Menschen im Allgemeinen als selbstverständlich vorausgesetzt. Jede Person nimmt den Raum um sich herum wahr, bewegt sich durch diesen Raum und orientiert sich darin mit verschiedenen Hilfsmitteln. Unser Agieren im Raum ist dabei bestimmt durch die Lage der verschiedenen Aktivitäten (z.B. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Sport), durch die Verbindungen zwischen diesen Aktivitäten (Infrastruktur, Verkehrsmittel), und der jeweiligen Nutzbarkeit dieser Verbindungen (individuelle Verfügbarkeit von Verkehrmitteln, Nutzungbarrieren; siehe Ungleichheiten). Raum und Verkehr sind dadurch eng miteinander verbunden.

Historische Grundlagen der Raumentwicklungsplanung

Palmanova, Italien

Bevor Raumentwicklung zum Gegenstand eines institutionalisierten planerischen Instruments unterschiedlicher staatlicher Ebenen wurde, wurde es kaum für erforderlich empfunden, steuernd in die räumliche Nutzungsentwicklung einzugreifen. Dennoch gab es bereits seit der Antike Vorstellungen von „idealen“ Raumstrukturen, die Städte nach sozialutopischen oder ästhetischen Grundsätzen gestalten wollten, meist in Form geometrischer Grundrisse (Schachbrettmuster, konzentrische Ringe oder Sternformen, z.B. Palmanova) mit klaren Funktionszuordnungen innerhalb des Raumes. In den meisten Fällen stellten die Entwürfe eine Umsetzung von Ideen zu wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder politischer Organisation dar, etwa barocke Residenzstädte mit städtebaulichen Achsen und Dominanten als Abbild der absolutistischen Regierungsform (z.B. Karlsruhe, Mannheim), oder sozialreformerische Gartenstädte erdacht von Ebenezer Howard, welche jedoch nur teilweise umgesetzt wurden. Einen umfassenden Einblick in die Evolution räumlicher Planungsideale erhält man durch die Chronologie der internationalen Planungsgeschichte seit dem frühen 18. Jhd.[1] sowie der historischen Abfolge der einflussreichsten Planungstheoretiker[2]. Da es in diesen Ansätzen meist keine besonderen Risiken von konkurrierenden Raumansprüchen, etwa zwischen Verkehrsflächen und anderen Nutzungen, und auch das bestehende Verkehrsaufkommen bis ins 19. Jhd. noch kaum Konflikte hervorrief, erhielt die Rolle des Verkehrs in diesen Idealvorstellungen noch wenig Beachtung, und begann erst mit dem Beginn der Industrialisierung an Bedeutung zu gewinnen.

Steigender Einfluss der Verkehrsentwicklung auf die Raumentwicklung

Futurama: "To New Horizons", Weltausstellung 1939

Die Charta von Athen

1933 wurde die Charta von Athen auf dem 4. Kongress der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne verabschiedet. Der Hauptgedanke ist die Funktionstrennung. Die Stadt besteht aus vier Funktionen: Wohnen, Arbeit, Freizeit und Verkehr. Die Stadt sollte in Bereiche mit jeweils nur einer Funktion gegliedert werden. Durch die entstehenden längeren Wege, profitierte das aufstrebende Auto, mit dem man leicht die weiten Distanzen zurücklegen konnte. Diese Neuerung erforderte ein leistungsfähigeres Verkehrsnetz, das sowohl für Autos, als auch für Fußgänger sicher war. [3] Dieser Ansatz hat bis heute deutlich spürbare Auswirkungen auf die Städte- und Verkehrsentwicklung. Umsetzungsbeispiele sind unter anderem: Ville Radieuse, Masterplan Algier, Masterplan Brasiliá, Wohnblock "De Klijburg" Die mit dieser Art von Entwurf verbundenen Nachteile sind u.a. das mit der Funktionstrennung verbundene höhere Verkehrsaufkommen, die nötige Steuerung des Verkehrsverhaltens, die teilweise Entmündung der Bürger und höherer Flächenverbrauch.

Die autogerechte Stadt

Mit dem zunehmenden Aufschwung des Automobils in der ersten Hälfte des 20. Jhds. und der damit einhergehenden Technologiebegeisterung entwickelte sich schließlich auch ein spezieller Fokus auf die Rolle des Verkehrs in der idealen Stadtgestaltung. Ein bekanntes Beispiel ist der Entwurf der "Ville Contemporaine" von Le Corbusier aus dem Jahr 1922, der sich bereits stark an den Erfordernissen des ungestörten Automobilverkehrs und starker Trennung der einzelnen Verkehrsströme orientiert, um höchstmögliche Geschwindigkeiten zu erzielen. Spätestens der aufwändig gestaltete Pavillon von General Motors bei der Weltausstellung 1939 in New York verdeutlichte das neue moderne Ideal der autogerechten Stadt: "Here is an American city, replanned around a highly developed, modern traffic system."[4]

In der Nachkriegszeit während des Wiederaufbaus der Wirtschaft kam es dann zu einem rasanten Aufschwung des Motorisierungsgrads in der Bevölkerung und einer raschen Erweiterung der Straßeninfrastruktur, um der ständig wachsenden Nachfrage nachzukommen. Der Fokus der Verkehrspolitik lag daher auch in Österreich auf dem Straßenausbau sowie der Schaffung neuer Arbeitsplätze in diesem Wachstumsmarkt. Nachfrage und Straßenkapazität schaukelten sich dabei gegenseitig auf, da mehr Infrastruktur neuen Verkehr erzeugte, wodurch die Kapazitätsgrenze angesichts des Verkehrswachstums wieder erhöht werden musste.[5]. Die im nachfolgenden Zeitverlauf erstellten nationalen Planungsstrategien spiegeln dann den Verlauf der Schwerpunktsetzung in der österreichischen Verkehrspolitik wider[6]. Standen im ersten Gesamtverkehrsplan 1968 und den folgenden „Dringlichkeitsreihungen“ noch Infrastrukturmaßnahmen und „nachfrageorientierte“ Politik im Mittelpunkt, kam es – nicht zuletzt in Folge der Ölpreisschocks in den 1970er Jahren – zu einer Umorientierung und ersten Umweltschutzanliegen. Das Österreichische Gesamtverkehrskonzept 1991 zeigte bereits ein deutlich stärkeres Umweltbewusstsein und setze Ziele in Richtung Vermeidung unnötigen Verkehrs, Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel, Partizipation und neueste Technologien. Mit dem im Jahr 2002 folgenden Generalverkehrsplan Österreich wurden jedoch wieder ökonomische Ziele in den Vordergrund gerückt (Wettbewerbsfähigkeit, Standortqualität, rasche Implementierung, Sicherheit, Nachhaltigkeit), bis schließlich mit dem Gesamtverkehrsplan für Österreich 2013 integrierte, multimodale, nachfragebeeinflussende Strategien als Zielrichtung formuliert wurden (sozial – sicher – umweltfreundlich - effizient).

Raumplanung als Instrument der Raumentwicklung und ihrer Ziele

Die Raumplanung befasst sich dabei mit der Gestaltung des gegebenen, von Menschen in Anspruch genommenen und genutzten physischen Raumes, sowie mit der Analyse und Begleitung raumbezogener Entwicklungen. Vorgegebene, durch Planung geordnete Raumstrukturen bilden das Bezugssystem, in dem Menschen leben und handeln. Für die nächste Strategieperiode der Raumordnung und Raumplanung ist zu erwarten, dass der Klimawandel im Zentrum der Zielsetzungen steht. Das setzt eine Harmonisierung der Zielsetzungen der Raumplanung mit jenen der nationalen Verkehrspolitik voraus, wobei noch stärkere Maßnahmen für die Mobilitätswende vorgesehen werden müssen, um den Trend der Verkehrsentwicklung endlich umzukehren und eine ausgeglichene Nutzung des begrenzten Guts „Boden“ für unterschiedliche Grundfunktionen (Wohnen, Verkehr, Arbeit, Freizeit, Versorgung, Kultur, Produktion etc.) bestmöglich zu erreichen und gleichzeitig Umwelt und Natur zu schonen.

Weiters kann eine effiziente und nachhaltige Stadterneuerung zur verträglichen Nutzung von Boden beitragen und einen Konsens zwischen öffentlichen und privaten Interessen herstellen. Die Motive, Ziele und Inhalte der Stadterneuerung haben sich dabei im Laufe der Geschichte an die jeweils herrschenden gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen angepasst. Stadterneuerung als politisch-planerische Strategie ist von jeher eng verknüpft mit dem jeweils vorherrschenden Staats- und Planungsverständnis, das sowohl die Programmatik als auch die Verfahren und das Rollenverständnis geprägt hat. Die heutige Stadterneuerungspraxis steht sehr stark in der Tradition der erhaltenden, „behutsamen“ Stadterneuerung. Wirtschaftliches Wachstum, das Bild vom starken Staat und gefüllte Fördertöpfe waren wesentliche Voraussetzungen für die „Heilungslogik“ der Stadterneuerung, die an stagnierenden Standorten dem „Markt“ durch verbesserte Rahmenbindungen und finanzielle Anreize wieder auf die Sprünge helfen wollte, um innerhalb des Stadtsystems annähernd gleiche Wohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Stadterneuerung kann auf allen Ebenen zur Bewältigung der vielfältigen Aufgaben auf ein ausgereiftes Repertoire zurückgreifen und mittels "Ressourcenbündelung" integrierte Handlungsansätze ermöglichen.[7]

Allerdings folgt die Raumentwicklung nicht nur einer gezielten Gestaltung der Raumstruktur, sondern auch politischen und gesellschaftlichen Trends. Das rasante und zunehmend dynamische Wachstum der Mobilität innerhalb der letzten hundert Jahre ermöglichte Reisen mit Geschwindigkeiten und einer Häufigkeit, welche noch vor drei Generationen undenkbar gewesen wären. Dies bedingt allerdings auch einen deutlichen Zuwachs der zurückgelegten Distanzen, des damit verbundenen Ressourcenverbrauchs (Material, Energieträger, Fläche) aber auch eine „Verinselung“[8] des Raums durch eine zunehmende Entflechtung von Flächennutzungen. Lebensgrundfunktionen (z.B. Arbeiten, Wohnen, Freizeit) rückten räumlich immer weiter auseinander, wodurch ebenfalls immer mehr Verkehr erzeugt wurde[9]. Passende Ergebnisse sind auch aus der aktuellen Pendlerstatistik Österreichs und dem Resümee eines Berichts des ÖIEB zum Thema "Motivation und Zufriedenheit von Zuzüglern ins Wiener Umland" zu entnehmen.

Ein weiterer Trend, der die Raumentwicklung stark beeinflusst, ist der wachsende Anteil an Einpersonen-Haushalten und der Trend zu größeren Wohnflächen pro Person, besonders beflügelt durch den lange bestehenden österreichischen „Wohntraum“ vom eigenen Haus im Grünen. Dies alles führt zu einem enormen Flächenverbrauch für Wohnraum und dessen Erschließung bis in die entferntesten Gebiete, mit entsprechenden Belastungen für die Umwelt. Diese Entwicklung führt wiederum zu einer zunehmenden Ungleichheit in der individuellen Mobilität der Menschen, da vor allem im ländlichen Raum die Nahversorgung und öffentliche Verkehrsangebote durch die abnehmende Siedlungsdichte unrentabel und ausgedünnt werden. Die dortige Wohnbevölkerung sieht meist keine Alternative mehr zum Auto und wird auf diese Weise vom Zugang zum motorisierten Individualverkehr abhängig. Fällt diese Option dann aber einmal aus (z.B. durch Verlust des Führerscheins bzw. der Fähigkeit ein Auto zu lenken, oder durch unzureichende finanzielle Mittel), sind die Betroffenen in ihrer Mobilität extrem eingeschränkt und können nicht mehr oder nur sehr schwer am gesellschaftlichen Leben teilnehmen (vgl. dazu Ungleichheiten sowie die Egebnisse des Projekts ÉGALITÉplus[10][11].

Weiters wird vielerorts die Planung entlang von sogenannten Entwicklungsachsen angestrebt. Die Länder Niederösterreich (S.25) und Oberösterreich (S.90) beispielsweise erwähnen dies in ihren Raumordnungsprogrammen. Außerdem existiert mit dem Under Pressure: Developing Viennislava ein Studierendenprojekt des Instituts für Raumplanung an der TU Wien, welches die Entwicklungsachse zwischen Wien und Bratislava untersucht. Auch der Endbericht des Projekts EnergieRaumPlanung für Smart City Quartiere und Smart City Regionen (ERP_SCQ_SCR) gibt Auskunft über Steuerungsansätze mit Energierelevanz in österreichischen Stadtregionen und daraus entwickelte Handlungsempfehlungen für die Energieraumplanung in Stadtregionen.

Zur spezifischen Situation der Raumordnung in Österreich, bezüglich der Rechte der BügermeisterInnen (agieren bei der Abwicklung von baurechtlichen Verfahren als Baubehörde 1. Instanz) und der Konkurrenz der Gemeinden untereinander, gibt eine Publikation der ÖROK Auskunft.[12]

Quellen

  1. Campbell, S. (2020): Planning History Timeline: a Selected Chronology of Events. University of Michigan, online, laufende Aktualisierung.
  2. Campbell, S. (2019): Urban theorist timeline. University of Michigan, online, laufende Aktualisierung.
  3. Meyer, J. (2003). Städtebau: Ein Grundkurs, Kohlhammer, Stuttgart.
  4. Futurama (1939). "To New Horizons", General Motors, New York World's Fair.
  5. Steininger, G. (2008). Ziele und Vorgaben der österreichischen Verkehrspolitik in den Koalitionsabkommen der Bundesregierung - ein Zeitvergleich 1945-2007. Schriftenreihe des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik - Verkehr, 02/2008, WU Vienna University of Economics and Business, Wien.
  6. Emberger, G. (2017). National transport policy in Austria – from its beginning till today. European Transport Research Review volume. 9, 6 (2017). https://doi.org/10.1007/s12544-017-0223-2
  7. Schröteler-von Brandt, H., Schmitt G. (2016). Stadterneuerung, Universität Siegen, RWTH Aachen, Springer Fachmedien, Wiesbaden
  8. Löw, M., (2001). Raumsoziologie. Suhrkamp, Frankfurt am Main
  9. Mitter, H. (2011). Mobilitätsverhalten der Wohnbevölkerung in Abhängigkeit von der Zentralität des Ortes. Schneller, öfter, weiter? Perspektiven der Raumentwicklung in der Mobilitätsgesellschaft;13. Junges Forum der ARL, 15.10.2010, Mannheim.
  10. Sammer, G., Uhlmann, T., Unbehaun, W., Millonig, A., Mandl, B., Dangschat, J., Mayr, R. (2012): Identification of Mobility-Impaired Persons and Analysis of Their Travel Behavior and Needs. Journal of Transportation Research Board 2320; pp. 46 - 54.
  11. Umweltbundesamt (o.j.). Flächeninanspruchnahme - Entwicklung des jährlichen Bodenverbrauchs in Österreich. Online, laufende Aktualisierung.
  12. Gruber M., Kanonier, A., Pohn-Weidinger, S., Schindelegger, A. (2018). Raumordnung in Österreich: und Bezüge zur Raumentwicklung und Regionalpolitik, ÖROK, Wien